Sardinen – Madalena – Bonifacio – Costa Smeralda

Törnbericht: Sardinien – Korsika | Autor: Alexander Meyer | Mai / Juni 2006 | Privattörn | Yacht: Oceanis 411 „Alma Venus“ | Vercharter: Sailitalia |

Samstag 27.05.

Wir landen am frühen Morgen in Olbia auf Sardinien, besteigen das vorbestellte Großraumtaxi und erreichen nach kurzer Fahrt in den Norden schon gegen 10.00 Uhr Cannigione, den Liegeplatz unserer Charteryacht. Immer wieder erstaunlich, dass in anderen Gegenden der Welt die Sonne scheint und das Thermometer auch über 10 Grad steigt.

Mal wieder sind wir noch viel zu früh dran. Unsere Vorgängercrew verlässt gerade das Schiff, das jetzt noch geputzt und durchgecheckt werden muss. Wir legen unser Gepäck unter der Pergola am Steg ab und machen uns auf in den Ort. Cannigione ist ein kleines Feriendorf am südlichen Rand der Baia di Arzachena. An der östlichen Ausfahrt der Bucht beginnt die Costa Smeralda mit ihrem mondänen Hauptort Puerto Cervo. Jetzt in der Vorsaison ist hier noch nicht viel los, aber ein guter Cappuccino und ein Cornetto sind schon zu bekommen. Nach dieser kleinen Stärkung besorgen wir den Proviant für die nächsten Tage im nahen Supermarkt.

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Cannigione

Cannigione

Zurück am Steg heißt es weiter warten, aber das ist gar nicht so schlimm. Wir sitzen im Schatten der Pergola mit Blick auf die wunderbare Bucht, die Sonne scheint, eine leichte warme Brise weht und wir beobachten, wie auf unserer Yacht gewerkelt wird. Diese können wir dann gegen 13.00 Uhr betreten. Wir räumen das Gepäck und den Proviant ein und beginnen mit dem Check der Inventarliste. Alles ist an Bord. Gegen 17.00 Uhr kommt der Bootsmann für das Briefing und die letzten Formalitäten. Wir werden vor dem zu erwartenden Starkwind am Dienstag gewarnt.

Um 19.00 Uhr sind wir klar zum Ablegen, das Manöver klappt tadellos und so sind wir bald schon mitten in der großen Bucht unter Segeln unterwegs auf Kurs Nord Richtung Madalena Archipel. Es ist wunderbar warm und die Sonne ist noch nicht untergegangen. Mit einem leichten Wind aus Ost erreichen wir unser Ziel für heute, die Insel Caprera, nach eineinhalb Stunden. Wir lassen den Anker in der nach Süden hin offenen Bucht von Porto Palma fallen.

Im letzten Abendlicht essen wir im Cockpit und trinken danach den ersten Sundowner des Törns. Die Sterne kommen hervor, das Boot schwojt sanft im leichten Wind und die kleinen Wellen plätschern an den Rumpf. Der Urlaub hat begonnen.

Seekarte Törnverlauf

Seekarte Törnverlauf | Quelle: Openseamap.or

Sonntag, 28.05.

Wir werden von der Sonne geweckt. Über der Bucht liegt ein mediterraner Duft. Vor dem Frühstück nehmen wir ein kurzes Bad im noch recht frischen Wasser und sitzen dann im Cockpit mit herrlichem Blick auf die umliegenden Hügel und Berge. Vor der Abfahrt drehen wir noch eine Runde mit dem Beiboot durch die Bucht, um den Außenborder zu testen. Doch dann soll es weiter gehen. Der Co-Skipper will nach Bonifacio an der Südspitze von Korsika und kann sich trotz der zu erwartenden Wetteränderung durchsetzen. Um 11.00 Uhr heißt es Anker auf!

Wir verlassen die Bucht bei leichtem Wind aus Ost unter Vollzeug in Richtung Westen, müssen aber schon nach eineinhalb Stunden die Genua wieder einrollen und den Motor anwerfen. Es geht vorbei am Bären von Parlau (ein paar bärenähnliche Felsbrocken auf einem Berg oberhalb der Stadt) und ab jetzt fahren wir Kurs Nordost in Richtung Korsika. Aber auf dem Weg dahin liegt noch die berüchtigte Straße von Bonifacio.

Diese liegt zwischen Sardinien und Korsika. Die beiden Inseln werden von hohen Gebirgsketten durchzogen, die Ost- bzw. Westwind abfangen und ihn in die Enge zwischen den Inseln drücken. Das führt oft zu einem Unterschied von zwei Windstärken im Vergleich zur Luvküste. Bei dem heute schwachen Wind aus Ostsüdost in der Abschattung durch das Maddalena-Archipel rechnen wir für draußen also mit ca. vier Beaufort – eigentlich ein schöner Segelwind.

Zu unserer Überraschung dreht der Wind bei der Einfahrt in die Straße komplett auf West. Die Yacht legt sich unter Vollzeug auf die Seite. Die durch den Westwind entstehende Windsee trifft auf die alte Dünung aus Ost und der Kapeffekt jagt noch Wellen aus Nordwest und Südwest dazwischen. Das Boot tanzt in der diffusen Kreuzsee auf und ab, hält aber erstaunlich gut Kurs. Es dauert trotzdem nicht lange, bis das erste Crewmitglied bei diesem Geschaukel grün im Gesicht wird und grade noch die Mahnung des Skippers befolgen kann, den Mageninhalt nach Lee, also nicht gegen den Wind, zu entleeren. Ich bin bis zu diesem Tage nie seekrank gewesen und lache noch. Auch als der Zweite einen glasigen Blick bekommt und sich kurz danach übergeben muss, habe ich kein Mitleid. Aber wie das so ist: Hochmut kommt vor dem Fall. Plötzlich habe ich diesen charakteristischen Geschmack auf der Zunge und mir wird schwindelig, der Magen dreht sich. Ich versuche es noch zu bekämpfen, will mir nicht die Blöße geben, aber da ist nichts zu machen. Es muss raus.

Mein Segellehrer beim Sportküstenschifferschein pflegte die Seekrankheit so zu beschreiben: Im ersten Stadium hat man Angst, dass man stirbt, danach hat man Angst, dass man nicht stirbt. Ja, auch damals habe ich gelacht, aber jetzt ist das zweite Stadium schnell erreicht. So langsam dämmert es mir, warum man seekranke Crewmitglieder einpicken sollte oder sie sogar unter Deck festbindet. Ich hätte nie gedacht, dass man so sehr die Kontrolle über sich verlieren kann.

Wir müssen gegen den Westwind mit zwei Wenden aufkreuzen, aber als es soweit ist, ist mir alles egal. Ich weiß genau, ich müsste jetzt an der Schot ziehen, aber ich tue es nicht. Würde das Boot hier kentern oder untergehen, mir wäre es recht: nur endlich Ruhe und nicht mehr dieses schreckliche Gefühl. Bonifacio ist schon in Sicht, thront auf dem Felsen über dem tosenden Meer, aber ich habe keinen Blick dafür. Davon, dass unterwegs ein Reff eingebunden wurde, habe ich nichts mitbekommen.

Aber kaum sind wir nach drei Stunden Hölle um den Felsen herum in die Bucht mit ruhigem Wasser eingelaufen, geht es mir schlagartig wieder gut. Ich schnappe mir den Schrubber und versuche gleich die Zeugnisse unserer Schmach vor dem Anlegen vom Heck zu entfernen. Witze werden gerissen und Hunger macht sich bemerkbar.

Kurz nach uns läuft eine Fähre aus Sardinien ein und überholt uns mit hohem Tempo – natürlich an der engsten Stelle. Als sie uns passiert hat, finden wir einen schönen Liegeplatz direkt vor der Hafenpromenade. Das erste Anlegemanöver dieses Törns verläuft zwar noch etwas unkoordiniert, aber ohne größere Probleme. Endlich ist Ruhe im Schiff und der Blick frei auf diesen grandiosen Hafen: vor uns das bunte Leben, über uns die mächtige Stadtmauer und um uns herum all die anderen Yachten.

Bonifacio

Bonifacio

Bonifacio

Bonifacio

Der erste Gang führt uns zum Hafenmeister. Sein Büro und die sanitären Anlagen liegen ganz am Ende der Bucht in einem der Kulisse recht unangemessenen Container. Vor den Toiletten sind lange Schlangen. Man muss sie sich leider mit den zahlreichen Tagesgästen der Ausflugsboote teilen. Alles ist schmutzig, in den Duschen ist es eng und stickig, so dass man sofort wieder in Schweiß ausbricht, wenn man das Wasser abstellt. Aber das ist gleich wieder vergessen, sobald man nach draußen tritt und sieht, wo man sich befindet.

Bonifacio

Bonifacio

Sauber und landfein gekleidet, treten wir den Weg in die Stadt an. Es geht einen langen steilen Weg bis zur ersten Ebene hinauf. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die Straße von Bonifacio. Sie scheint friedlich und harmlos im Abendlich dazuliegen, denn die Wellen sehen von hier oben ganz klein aus. Dann schlängelt sich der Weg am Hang hinauf in die Oberstadt, deren Gassen wir erkunden und die uns mit ihrem mediterranen Flair einfangen. In einem guten Restaurant mit Blick über das Meer nehmen wir unser verdientes Abendessen ein und lassen später den Tag im Cockpit ausklingen.

Bonifacio

Bonifacio

Montag, 29.05.

Am Morgen werden wir vom Wind geweckt, der durch die Wanten pfeift. Und das, obwohl der Hafen eigentlich absolut geschützt liegt. Der Wetterbericht spricht von sechs bis sieben Windstärken mit Sturmböen und noch höheren Wellen als gestern. Die Ausflugsboote zu den umliegenden Grotten laufen zwar noch aus, aber wir beschließen für heute einen Hafentag einzulegen, als wir sehen, in welchem Zustand die Gäste zurückkehren. Bonifacio ist auch sicher nicht der schlechteste Ort um einzuwehen.

Leider sind alle Leihwagen ausgebucht und so beschließen wir zum ca. fünf Kilometer entfernten Leuchtturm am Capo Pertusato auf der Südspitze Korsikas zu wandern. Der Blick von den Felsen aufs Meer ist grandios und offenbart, dass die Entscheidung im Hafen zu bleiben, richtig war. Der Himmel ist blitzeblau und die Sonne scheint. Jetzt im Mai ist die Vegetation noch üppig, überall blüht es und ein unbeschreiblicher Duft liegt in der Luft.

Bonifacio

Bonifacio

Der Weg schlängelt sich am Rand der Steilküste entlang in Richtung Leuchtturm. Immer wieder drehen wir uns um und genießen den Blick auf die Stadt, die an die weit überhängenden Felsen angeklebt zu sein scheint. Unter uns tost das Meer und die ungeheuren Wellen krachen an die Klippen. Auf dem Rückweg machen wir einen Abstecher durch eine Schlucht hinunter zur Küste. Ein unvergessliches Erlebnis!

Capo Pertusato

Capo Pertusato

Capo Pertusato

Capo Pertusato

Nach diesem Tag sind unsere Beine etwas müde und so gehen wir gar nicht mehr nach oben in die Stadt, sondern nehmen unser Abendbrot in einem guten Fischrestaurant auf halber Höhe ein. Danach genießen wir die lockere Stimmung in einer der vielen Bars unten am Hafen.

Dienstag, 30.05.

Die Nacht war recht unruhig und an Auslaufen ist heute überhaupt nicht zu denken. Selbst die Ausflugsboote bleiben an diesem Tag fest an der Pier. Die busseweise angekarrten Gäste werden mit „Trop de vent!“ vertröstet. Dann muss es wirklich schlimm sein! Die Kapitäne lassen sich keinen Euro freiwillig entgehen. Ein Blick oben über die Mauer reicht, um unsere langsam ungeduldig werdende Crew von einem weiteren Hafentag zu überzeugen. Die Straße von Bonifacio ist weiß von den Schaumkronen der sich auf dem offenen Wasser brechenden Wellen. Es sieht toll aus, aber dort möchte man jetzt nicht unbedingt mit einem Segelboot hindurch fahren.

Strasse von Bonifacio

Strasse von Bonifacio

Also bummeln wir wieder durch die Stadt, genießen die Sonne (Deutschland meldet neun Grad und Regen) und den einen oder anderen Milchkaffee, bestaunen die Auslagen der Geschäfte, die korsischen Stilettos, die man hier für die Vendetta, die Blutrache, benutzt und beobachten das bunte Treiben in den Gassen und am Hafen.

Bonifacio

Bonifacio

Bonifacio

Bonifacio

Wieder an Bord checkt der Skipper aufmerksam den Wetterbericht. Es soll am nächsten Tag am frühen Morgen ein kurzes Wetterfenster mit schwächerem Wind geben, das einen Ritt über die Straße von Bonifacio erlauben könnte. Wir beschließen es zu wagen und gehen deshalb früh in die Koje.

Mittwoch, 31.05.

Wir stehen bereits um 06.00 Uhr auf und machen die Yacht startklar. Der Wind weht mit drei Beaufort aus westlichen Richtungen und verspricht, dass die Wettervorhersage recht behält. Um 07.00 Uhr legen wir ab, setzen noch im Hafen die Segel und werden draußen vor der Ausfahrt mit vier bis fünf Windstärken empfangen. Die Welle steht zwar immer noch sehr hoch, ist aber nicht mehr so diffus wie bei unserer Ankunft, weil die Windrichtung über Tage gleich war. Unser Schiff legt sich sofort auf die Seite und zischt mit bis zu acht Knoten auf Halbwindkurs durch die Wellen. Diesmal wird keiner von der Besatzung seekrank.

Die Straße von Bonifacio haben wir nach nur drei Stunden überquert und gerade als wir in die Bucht von Porto Liscia auf Sardinien einbiegen, frischt der Wind wieder merklich auf. Kaum ist der Anker in den Sand des steil abfallenden Ufers gefallen, misst der Windmesser schon wieder sieben Beaufort. So liegen wir bereits um 10.00 Uhr morgens fest und kommen an diesem Tage auch nicht mehr weiter.

Porto Liscia

Porto Liscia

Porto Liscia ist ein beliebter Windsurfertreffpunkt. Hier auf der weiten Bucht weht der gleiche heftige Wind wie draußen auf der Straße von Bonifacio. Er pfeift über die flachen Felsen in die Segel der Surfer, ohne dass sich die draußen vorherrschende Welle aufbauen kann. Um unser Boot herum zischen die Surfbretter in halsbrecherischem Tempo und bieten uns eine fantastische Show.

Porto Liscia

Porto Liscia

Wir nutzen die Zeit, um ausgiebig in der Sonne zu liegen, hoffen noch darauf, dass der Wind nachlässt, was er aber nicht tut, und so bleiben wir über Nacht an diesem sicheren Ankerplatz.

Porto Liscia

Porto Liscia

Donnerstag, 01.06.

Als wir aufwachen, hat der Wind deutlich nachgelassen, frischt aber wieder bis fünf Windstärken auf, als wir die Bucht gegen 09.30 Uhr verlassen. Unsere Vorräte müssen aufgefüllt werden und so ist unser erstes Ziel des Tages „La Maddalena“, der Hauptort des gleichnamigen Archipels an der Nordostspitze Sardiniens. Die freundlichen Marineros am Steg nehmen unsere Leinen an und sind damit einverstanden, dass wir hier nur zwei Stunden zum Einkaufen liegen bleiben wollen.

La Maddalena

La Maddalena

Die kleine Stadt ist wirklich nett. Jetzt in der Vorsaison sind fast nur Einheimische unterwegs und die Stimmung ist entspannt. In der Metzgerei bietet man uns ein Spanferkel für 70 Euro an, das dann im Restaurant nebenan zubereitet werden soll.

La Maddalena

La Maddalena

Aber wir wollen heute noch weiter. Voll bepackt kehren wir am Hafen in ein Café ein, genießen den köstlichen Cappuccino und gehen dann zur Yacht zurück. Als wir gegen 15.00 Uhr ablegen, fragen uns die Marineros, ob wir wirklich heute noch auslaufen wollen und ob wir den Wetterbericht nicht gehört hätten. Das Wort „Temporale“ fällt. Gewitter.

Nach einer halben Stunde fängt es auch schon an zu donnern und zu blitzen. Wir bergen die Segel und gehen zum zweiten Mal auf diesem Törn in der Bucht von Porto Palma vor Anker. Wir nutzen die Zeit für einen kleinen Imbiss. Das Gewitter ist nach einer Stunde vorbeigezogen, wir wollen weiter, aber der Anker lässt sich nicht zurück an Bord holen. Wir hängen fest. Der Skipper steigt mit Taucherbrille und Schnorchel ins kühle Wasser und meldet, dass unser Eisen unter einem alten Mooringblock aus Beton klemmt und ein Ausbrechen auch mit Vorausfahrt nicht möglich sein wird.

Also taucht er die fünf Meter hinunter und hat den Anker nach dem zweiten Versuch frei. Gegen 18.00 Uhr erreichen wir endlich unser Ziel für heute. Die romantische Cala Coticcio an der Ostseite der Insel Caprera. Der Wind hat inzwischen von Nordost über Nordwest auf Westsüdwest gedreht und so liegen wir ganz allein noch recht geschützt in der Mitte von einem ca. 100 Meter breiten Arm der Bucht.

Cala Coticcio

Cala Coticcio

Wir gehen schwimmen, essen zu Abend und genießen die herrliche Stimmung vom Cockpit aus. Bevor wir in die Koje kriechen, stecken wir noch etwas Kette, denn es sind wieder Gewitter für die Nacht vorhergesagt. Ein Crewmitglied erklärt sich bereit, an Deck zu schlafen, um im Notfall schnell eingreifen zu können. Der Ankeralarm am GPS wird aktiviert.

Freitag, 02.06.

Um 01.15 Uhr werde ich von einem furchtbaren Heulen geweckt. Die Yacht legt sich auf die Seite als wäre sie unter Vollzeug. Kurz darauf folgt eine zweite, noch heftigere Böe und schon fiept der Ankeralarm. Ich bin noch völlig schlaftrunken. Als ich an Deck komme, ist dort schon hektisches Treiben. Es ist absolut dunkel und man kann nicht erkennen, wo wir uns in der Bucht befinden. Ich rechne mir aus, dass wir bei einer 100 Meter breiten Bucht von der Mitte aus mit 40 Metern Kette nicht viel Platz zum Driften haben. Die Felsen müssen nah sein.

Der Skipper versucht gegen die Wind anzufahren, damit die Crew auf dem Vorschiff den Anker einholen kann. Der liegt aber inzwischen quer zum Schiff und die Kette ist zur Seite hin derart gespannt, so dass sie sich nicht mehr über die Rolle am Bug hereinholen lässt. Motor und Wind machen einen ungeheuren Krach, so dass die Kommunikation nicht funktioniert. Es dauert eine ganze Weile, bis der Mann am Ruder das Problem verstanden hat und in Richtung Anker steuert. Die Stimmung ist angespannt bis gereizt. Endlich ist das Eisen gehoben und liegt auf dem Bug. Aber in welche Richtung sollen wir jetzt fahren? Wir haben bei dem Manöver die Orientierung in der Dunkelheit absolut verloren.

Der Skipper leuchtet mit dem großen Handscheinwerfer um das Boot herum. Keine fünf Meter entfernt an Backbord ragen gelbe Felsen aus dem Wasser, auf die wir zutreiben. Das ist offensichtlich die falsche Richtung. Wir fahren vorsichtig dorthin, wo wir die Mitte der Bucht vermuten, haben dann Zeit unsere Position mit dem GPS festzustellen und finden so den Weg aufs offene Wasser hinaus.

Der Wind hat inzwischen auf Südwest gedreht und der Skipper sucht uns den Golfo delle Saline als Ziel heraus, der in diese Richtung ausreichend Schutz bietet. Die Crew sitzt frierend und übernächtigt im Cockpit, während wir durch die Nacht knattern. Noch ist uns nicht ganz klar, was da eben passiert ist und wie knapp wir an einer Havarie vorbeigeschrammt sind. Auch fragen wir uns, woher diese heftigen Böen wohl gekommen sein mögen. Zwar ist am Horizont Wetterleuchten zu sehen, aber von einem Gewitter direkt in unserer Nähe haben wir nichts bemerkt. Auch ist der Monte Teialone auf Caprera mit seinen 160 Metern eigentlich zu niedrig für derart heftige Fallböen.

Plötzlich tauchen im Hecklicht unserer Yacht Möwen auf, die uns wahrscheinlich für einen Fischkutter halten – wer sonst fährt zu dieser Stunde hier zwischen den Inseln herum. Sie folgen uns in der Erwartung, dass bald Fischabfall über Bord geht und sehen sehr unheimlich aus, wie sie so von unten angeleuchtet hinter uns her fliegen.

Endlich erreichen wir gegen 03.30 Uhr unser neues Ziel. Es ist noch immer stockfinster und wir müssen ziemlich tief in die Bucht hineinfahren, um geschützt ankern zu können. Nachdem wir einen unbeleuchteten Ankerlieger knapp verfehlt haben, schalten wir das Radar an und ein Mann geht vorne auf den Bug. Die Straßenlaternen am Ufer irritieren und die Ankerlichter der umliegenden Yachten sind so klein und so weit oben, so dass man sie auch leicht für Sterne halten könnte. Das Manöver gelingt trotzdem, aber wir können alle noch lange nicht schlafen – zu tief sitzt der Schrecken und die Angst, dass sich der Anker noch einmal losreißen könnte. Dazu frischt der Wind wieder auf. Um 04.00 Uhr messen wir bereits sechs Windstärken. Wir liegen in der Koje, hören auf jedes Geräusch, jede Stunde steht irgendjemand beunruhigt auf um hinauszuschauen, aber es passiert nichts mehr.

Golfo delle Saline

Golfo delle Saline

Entsprechend gerädert sitzen wir am nächsten Morgen beim Frühstück. Es regnet. Die Stimmung ist nicht gerade auf ihrem Höhepunkt. Der Wind dreht von Südwest über Nordwest auf Nord und flaut immer weiter ab, so dass wir uns gegen 14.00 Uhr entscheiden, Anker auf zu gehen und wieder zurück nach La Madallena zu fahren, wo wir uns in der Sicherheit des Hafens erholen wollen. Leider müssen wir dabei gegen den Wind unter Motor fahren. Außerdem werden wir unterwegs noch von einem heftigen Regeschauer erwischt. Er lässt die Fahrt genau an der engsten Stelle zu einem Blindflug werden, gerade dort, wo sich mit uns die beiden zwischen den Inseln pendelnden Autofähren treffen.

Der Steuermann hält tapfer durch, muss dann aber in der Marina angekommen erst einmal das Regenwasser aus seinen Schuhen schütten. Um die Gummistiefel rechtzeitig aus der Tasche zu kramen, ging alles viel zu schnell. Als wir endlich fest sind, geht das Gewitter noch einmal richtig los. Ich sitze im T-Shirt unter Deck vor dem Niedergang, als es draußen einen so heftigen Schlag gibt, dass sich die Haare auf meinen Armen von der elektrischen Spannung aufgeladen kerzengrade aufstellen. Zum Glück hat es nicht unseren Mast erwischt. Und zum Glück liegen wir hier jetzt sicher.

Beim späteren Hafenbummel sind wir vorgewarnt und tragen alle unser dickes Ölzeug, als auch schon der nächste Schauer auf uns niederprasselt. Wir werden dann aber mit einem sehr guten Essen in einer Tratoria direkt am Hafen entschädigt. Der Wirt stellt riesige Platten mit köstlichen Meeresfrüchten als Vorspeise auf den Tisch. Eigentlich sind wir danach schon satt. Doch der große, im Ofen gegarte Fisch als Hauptspeise übertrifft dann noch einmal alles. Sehr zufrieden fallen wir später hundemüde in unsere Kojen.

Samstag, 03.06.

Wir schlafen heute richtig aus und legen nach einem zünftigen Frühstück um 11.30 Uhr in La Maddalena ab. Schon eine Stunde später müssen wir die Segel wieder bergen und den Motor anwerfen, weil uns der Wind verlässt und das Boot von einer Restwelle aus Nordost in der Flaute hin und her geworfen wird. So lassen wir die wunderschöne Costa Smeralda an uns vorüber ziehen. In ein paar Wochen wird hier kein Liegeplatz mehr zu bekommen und die Buchten voller Ankerlieger sein. Jetzt hatten wir alles fast für uns alleine. Die Preise waren auch noch moderat.

Cala di Volpe

Cala di Volpe

Gegen 15.00 Uhr lassen wir in der Cala di Volpe den Anker fallen, fahren mit dem Beiboot an den langen Strand, machen einen wunderschönen Spaziergang und lassen uns für einen Drink in der Strandbar mit Blick auf unsere Yacht nieder. Später gehen wir vom Boot aus schwimmen, kochen, genießen den Ausblick auf die Bucht und verbringen eine ruhige Nacht vor Anker.

Sonntag, 04.06.

Cala di Volpe

Cala di Volpe

Heute ist leider schon unsere letzter Segeltag in diesem wunderschönen Revier. Nach einem entspannten Frühstück im sonnigen Cockpit gehen wir am späten Vormittag Anker auf. Der Wind ist auf fünf Beaufort aufgefrischt. Endlich kommen wir einmal richtig zum Segeln! Die Küste rauscht nur so an uns vorbei und die Yacht zeigt, was sie kann. So erreichen wir schon am frühen Nachmittag die Cala Portese auf Caprera, wo wir einen Zwischenstopp für einen kleinen Imbiss nehmen und ausgiebig baden. Genau so stellt man sich Segelurlaub im Mittelmeer vor!

Cala Portese

Cala Portese

Cala Portese

Cala Portese

Leider geht es nun zurück. Von Caprera aus segeln wir in den Golfo di Arzachena zurück zum Heimathafen unserer Yacht. Bei Halbwind und sechs Beaufort rauscht das Boot durch das Wasser, wir verpassen vor lauter Euphorie unsere Marina und wären fast in das Sumpfgebiet am Ende der Bucht gesaust. Am Steg erwartet uns schon eine nette Italienerin. Es folgt eine unkomplizierte Übergabe – bis auf eine undichte Decksluke haben wir nichts zu vermelden.

Wir kochen an Bord, erzählen uns gegenseitig, was wir miteinander in der letzten Woche erlebt haben, gehen für einen Drink in den Ort und fallen dann spät abends in unsere Kojen.

Montag, 05.06.

Sardinien macht uns an diesem Tag den Abschied wirklich sehr schwer. Die Sonne scheint, ein wunderbarer Segelwind weht, aber wir müssen zurück ins kalte Deutschland. Das Taxi wartet bereits und fährt uns durch die wunderschöne Landschaft zum Flughafen nach Olbia. Ich bin mir sicher, dass ich wiederkommen werde.

Und ich beschließe noch dieses Jahr einen Segelkurs zu besuchen. Ich will endlich wissen, wie Segeln funktioniert und will nicht mehr nur Handlanger sein. Ich will die Entscheidungen des Skippers verstehen und mit guten Argumenten diskutieren, falls ich das Gefühl habe, dass etwas nicht stimmt. Ich will das Wetter und seinen Einfluss auf den Törnverlauf verstehen. Schwierige Situationen will ich nicht mehr unvorbereitet erleben und schöne Situationen entspannt genießen.

Du planst einen Segeltörn und weißt nicht welche Ausrüstung Du dafür brauchst? Dann lies jetzt meine Artikel zum Thema: „Erstausstattung Segeln“