Seemannsgarn: Grundsee vor Gotland

Seemannsgarn: Grundsee |
Seegebiet: Visby / Gotland |

Seemannsgarn

Seemannsgarn

Wie so oft auf dieser Reise kommt der Wind genau von vorne, so dass wir wahrscheinlich die ganze Strecke unter Motor fahren müssen. Ich bin das absolute Greenhorn an Bord. Gerade habe ich meinen SKS gemacht. Alle sind von der Nachtfahrt müde und da die See ruhig erscheint darf ich endlich einmal ans Ruder. Der Skipper beschäftigt sich mit der Navigation und der Rest der Mannschaft legt sich hin um etwas auszuruhen. Nur ein Crewmitglied ist mit mir an Deck und döst vor sich hin.

Wir fahren unter der Küste und ich halte auf ein weit entferntes Kap zu. Von unten kommt die Anweisung nicht zu sehr zu schnibbeln. Es soll dort vorne flach und steinig sein. Also falle ich ein wenig ab. Der Skipper ist mit dem neuen Kurs zufrieden.

Wie aus dem Nichts türmen sich auf einmal riesige Wellen vor mir auf. Der Bug steigt so hoch, dass ich das Wasser vor mir nicht mehr sehen kann. Ich muss mich am Steuerrad richtig festhalten um nicht nach hinten gegen die dünnen Relingsdrähte zu fallen. Jetzt geht die Yacht über den Wellenkamm. Der Bug schlägt mit einem unheimlichen Geräusch auf das Wasser. Es hört sich an als wäre der Rumpf auseinander gebrochen. Durch die Hebelwirkung werde ich auf das Steuerrad katapultiert als der Bug schon wieder zu steigen beginnt. Jetzt wird mein Segelkamerad an Deck wach und murmelt etwas in seinen Bart. Es herrscht ein Höllenlärm. Ich verstehe kein Wort.

Wieder verschwindet die See vor mir hinter dem Bug. Diesmal bin ich auf den folgenden Schlag vorbereitet. Ich mache aber den Fehler neben mir über die Reling zu schauen, als der Bug ins Wellental absinkt und das Heck der 46 Fuß Yacht hoch über den Wellen steht. Es kommt mir vor als stünde ich auf dem 10 Meter Brett im Schwimmbad. Der Motor heult auf. Wahrscheinlich war die Schraube einen Moment lang aus dem Wasser. Diesmal erwischt es uns. Das Wellental ist zu kurz für unser 14 Meter langes Schiff. Der Bug schlägt voll in den sich vor uns brechenden Kawenzmann und taucht durch. Die Wassermassen schießen über das Schiff und ergießen sich ins Cockpit und den offenen Niedergang. Die Sprayhood verhindert das Allerschlimmste, aber leider nicht alles.

Der Skipper erscheint mit finsterer Mine unten im Niedergang und schiebt die Luke zu. Es ist auch Wasser durch die geschlossenen Fenster im Salon eingedrungen. Dort beginnt hektisches Treiben. Die Bilgenpumpe springt an. Vor mir türmt sich die nächste Welle auf. Ich stehe knöcheltief im hin und her schwappenden Wasser. Die überforderten Lenzöffnungen im Cockpit sind hinten. Das Wasser fließt aber nach vorne als wir über den Kamm gehen. Wieder ein Schlag. Aber diesmal zum Glück nicht getaucht. Mein Kamerad murmelt etwas. Ich verstehe was von Welle ausfahren, aber was bedeutet das? Er deutet an, dass ich das Steuerrad hin und her bewegen soll. Aha.

Ich versuche also die nächste Welle schräg zu nehmen. Das gelingt. Ich versuche auf dem Wellenkamm zu drehen und in die andere Richtung hinunter zu fahren. Schlechte Idee. Jetzt klatscht das Boot zwar nicht mit dem Bug ins Tal, aber es kippt zur Seite. Die unten wischende Mannschaft wird hörbar durcheinander gewirbelt. Wieder murmelt mein Kamerad irgendwas. Ich mache ihm sehr deutlich, dass ich ihn nicht verstehe und er doch bitte lauter sprechen soll. „Nicht querschlagen!“ Kommt zurück. Gute Idee. Bloß wie, wenn das Ruder in der Luft hängt. Aber es geht wie durch ein Wunder gut. So langsam fahre ich mich ein. Ich versuche das Knallen, das Getose und meine Höhenangst einfach zu ignorieren und konzentriere mich auf die mich zurollenden Wellen.

Nicht einmal eine Seemeile backbord von uns fährt ein Schiff und liegt ganz ruhig im Wasser. Anscheinend sind wir eben aus dem Lee des Kaps herausgefahren und die sich weit im Norden aufbauenden Wellen laufen hier auf den flachen Grund vor der Küste auf. Ich kann nicht mehr. Ich übergebe das Rad an meinen Kameraden und setze mich mit zitternden Knien auf die Cockpitbank. Der Steuermann fährt souverän jede Welle aus. Das hätte er doch auch gleich machen können. Nach 10 Minuten ist der Spuk vorbei und die See wird ruhig.

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