Der Fisch im Bordklo

Eine gute Verdauung ist ein Segen. Gerade auf Reisen. Ein ungewohnter Tagesrhythmus, fremde Speisen und fehlende Möglichkeiten können die geregelte Abfuhr doch empfindlich stören. In welch peinliche Situationen man dabei geraten kann durfte ich einmal in einem Supermarkt auf der schönen Nordseeinsel Baltrum beobachten. Eine ältere Dame flüsterte dem Kassierer etwas ins Ohr, worauf dieser für alle gut hörbar durch den Laden brüllte: „Die Trockenpflaumen gibt es in der Trockenpflaumenabteilung!“ Und auf so einer kleinen Insel trifft man sich im Verlauf des Urlaubs nicht nur einmal wieder.

So war ich an dem Morgen von dem ich jetzt berichte recht glücklich, als sich ein gewisses Gefühl regte. Wir befanden uns auf einem Törn durch den Stockholmer Schärengarten und hatten gestern an der kleinen Insel Säck angelegt. Eine wunderschöne Bucht, geschützt nach allen Seiten und im Wald kleine Toilettenhäuschen mit Plumpsklo. Alles sehr ansprechend und gar nicht weit entfernt.

Da hätte ich besser hingehen sollen

Eigentlich gar nicht weit entfernt! Aber im Regen?

Leider regnete es in Strömen. Nun lagen wir aber nicht wie im Hafen an einem Steg sondern vor Heckanker und mit dem Bug an den Felsen. Man musste die Bugleiter herunterkraxeln und über glitschige Felsen steigen um zum Ort des Geschehens zu gelangen. Vielleicht sogar einen Schritt ins Wasser tun. Die Vorstellung durch die Kälte zu laufen, die Bordschuhe mit dem matschigen Waldboden zu beschmutzen und nachher das nasse Ölzeug nicht trocken zu kriegen schreckte mich ab.

Ich liebäugelte mit der Bordtoilette. Ein Gerät, das man normaler Weise nach Möglichkeit nicht benutzt. Es ist eng, die Schüssel ist viel zu klein, und bevor man sich überhaupt drauf setzen kann muss man die Seeventile öffnen und hat sich dabei schon die Finger an den Schlauchschellen aufgeschnitten. Jeder Charterer kann da so seine eigene Geschichte erzählen.

Aber unser Eigner hatte aufgepasst und beim Bootsbau gleich ein Komfortklo in Auftrag gegeben. Ja das gibt es. Eine menschenwürdige Schüssel ist möglich! Wenn man danach fragt und bereit ist sie zu bezahlen. Und wozu hatten wir schließlich den Fäkalientank. Der musste ja auch mal eingeweiht werden. Und wenn man da nichts drin hat unterstellt einem nachher die Wasserschutzpolizei, man hätte ihn illegal entleert. Also: es gab gute Gründe.

Der Leser wird mir dankbar sein, wenn ich hier nicht auf die näheren Umstände der nun folgenden Erleichterung eingehe. Es sei für den Unkundigen nur folgendes erklärt: Ist alles erledigt kann man bei der Yachttoilette nicht einfach zum Abspülen auf ein Knöpfchen drücken. Nein, man muss seine Hinterlassenschaften mit Muskelkraft selber abpumpen. Eine etwas unappetitliche Angelegenheit, aber lassen wir das.

Jedenfalls ist neben dem Klo eine Pumpe, deren Kolben man mehrmals hochzieht und wieder hinunterdrückt. Dabei verschwindet das Geschäft durch einen Schlauch im Fäkalientank und gleichzeitig wird Wasser von draußen, also vom Meer, in die Schüssel gesaugt. Damit dieses bei Seegang nicht herausschwappt, muss es auch noch abgepumpt werden. Dazu legt man auf der Pumpe einen Hebel um, der das Nachfließen von neuem Seewasser verhindert. Und nach ein paar Hüben ist die Toilette leer.

Ich zog also nun an dem Kolben, der das auch brav mit sich machen ließ. Doch dann der Alptraum. Herunterdrücken ließ er sich nicht mehr. Die Pumpe saß fest. Durch viele Schilderungen solcher Missgeschicke (jeder einigermaßen erfahrene Segler kann davon berichten) war ich zum Glück vorgewarnt. Auf keinen Fall darf man die Sache jetzt mit Gewalt angehen. Das schadet den Dichtungen und der Mechanik. Aber auch sanftes herumprobierten brachte keine Besserung.

Was nun? Alarm schlagen und den Rest der Crew ins müffelnde Bad einladen um die Sauerei zu begutachten? Nein. Dafür war es noch zu früh. Vielleicht ließ sich durch umlegen des Hebels etwas erreichen, und siehe da, abpumpen ohne die Zugabe von Seewasser funktionierte noch. Ergebnis war allerdings, dass das Geschäft jetzt … ach lassen wir das.

Soviel war jedenfalls klar. Das Problem musste im zuführenden Teil der Pumpe liegen. Irgendwas war dort von außen hineingeraten und verstopfte den Durchfluss. Aber was? Und wie sollte es da wieder heraus kommen? Ich sah mich schon die Pumpe auseinanderbauen, die nach meiner halberfolgreichen Abpumpaktion jetzt voller … ach lassen wir das.

Zum Glück handelte es sich bei unserer Yacht um ein neues Modell und da hatte doch tatsächlich mal jemand mitgedacht. Der zuführende Seewasserschlauch war durchsichtig und was musste ich da mit meinen trüben Augen da erkennen? Vor der Pumpe, mit dem Kopf voran, steckte ein kleiner Fisch.

Die Pumpe ist verstopft

Die Pumpe ist verstopft

Der arme Fisch. Eben war er noch glücklich und zufrieden durch diese schöne Bucht geschwommen. Keine Ahnung was er unter unserem Boot gesucht hatte. Wahrscheinlich war er einfach nur im falschen Moment am falschen Ort. Er musste genau am Seeventil gewesen sein, als ich das erste Mal den Kolben hochgezogen hatte. Vielleicht hatte er eine schützende Höhle gesucht. Welch ein Pech.

Doch wie so oft: Des einen Leid, des anderen Freud. Auch wenn dieser Spruch hier hinkt und ich mich nicht direkt an dem Leid des Fisches freute. Aber ich war glücklich, dass sich dieses Problem jetzt doch recht einfach und ohne die Pumpe mit ihrem Inhalt auseinanderzubauen lösen lassen würde. Und vielleicht war der Fisch ja noch zu retten.

Jetzt brauchte es nur noch Werkzeug und dazu musste nun doch die Mannschaft alarmiert werden. Aber anstatt die erforderlichen Teile heranzuschaffen, wollte nun jeder das Kuriosum im Schlauch sehen. Auch wenn es keiner allzu lang im Bad aushielt: ich drängte zur Eile. Es ging mir um den Fisch. Schnell waren die Schellen gelöst und der Schlauch von der Pumpe abgezogen. Aber ach. Es war zu spät. Der Fisch war tot. Jedenfalls bewegte er sich nicht mehr. Vielleicht war ihm im Überdruck seine Schwimmblase geplatzt.

der arme Fisch

der arme Fisch

Ich warf ihn trotzdem schnell über Bord in der Hoffnung, dass er dadurch vielleicht aus einer Ohnmacht erwachen würde. Er sank zum Grund, wo ich ihn aus den Augen verlor. Als ich aufsah fiel mein Blick auf das Toilettenhäuschen am Ufer. Ach wäre ich doch nur dorthin gegangen. Der Fisch könnte hier noch weiter fröhlich seine Bahnen ziehen.

Noch in Gedanken, ob es wohl einen Fischhimmel gibt und wie das Paradies für Meerestiere wohl aussieht, wurde ich von der Mannschaft zurück gerufen. Sie hatten inzwischen den Schlauch und die Schellen wieder befestigt, doch den Rest der Arbeit sollte ich dann selber machen. Noch nie habe ich so erleichtert eine Yachttoilette leer gepumpt.

 

Hier geht es zum entsprechenden Törnbericht →